Der Hochverrat hat Ambri nicht zu Fall gebracht
Wir erinnern uns noch lebhaft: Nach dem «Hochverrat am Gotthard» sind Sportchef Paolo Duca und Trainer Luca Cereda Anfang Oktober zurückgetreten. Nach sieben Jahren im Amt. Präsident Filippo Lombardi hatte hinter ihrem Rücken in Zürich mit Christian Dubé verhandelt und dem Kanadier das Doppelmandat Sportchef und Trainer angeboten. Nach dieser Intrige, von watson aufgedeckt, stellte auch der grosse Vorsitzende sein Amt zur Verfügung.
Dieses Drama hätte andernorts eine tiefgreifende Krise und womöglich gar einen sportlichen Absturz ausgelöst. Zwei Männer, die Ambri verkörperten, lebten, atmeten, treten zurück. Nicht wegen Niederlagen, nicht wegen Müdigkeit, sondern wegen Hochverrat. Ein Wort, das im Eishockey selten fällt und in Ambri doppelt schwer wiegt.
Und was ist seither passiert? Nichts. Oder besser gesagt: Alles läuft weiter. Der Motor ruckelte nicht einmal. Der Hochverrat war nur eine Episode.
Ja, Ambri ist sogar besser geworden. Bis zum Rücktritt von Cereda und Duca resultierten aus 12 Partien 2 Siege. Seither hat Ambri 8 von 13 Spielen gewonnen. Darunter in Zürich und nun als vorläufiger Höhepunkt gar in Davos.
Inzwischen ist Eric Landry vom Assistenten zum Chef befördert worden. Der Kanadier ist der stille Mann im Schatten, der Kronprinz, dem die Krone zugefallen ist, weil sie sein Vorgänger zurückgegeben hat. Er ist der Erbe. Der Träger eines Vermächtnisses, das Cereda und Duca über sieben Jahre aufgebaut haben: Arbeit, Identität, Demut, Tempo, Leidenschaft und ein taktischer Code, der mehr mit Ambris DNA als mit einem Spielsystem zu tun hat.
Ceredas Nachfolger muss Ambri nicht neu erfinden. Er muss nur weiterspielen lassen, was schon gespielt worden ist. Er ist klug und gehört zu den wenigen, die ihr Ego der Sache unterordnen und sich nicht selbst inszenieren. Vielleicht ist er gar der glücklichste Trainer der Liga. Denn wo sonst muss einer so wenig verändern und kann trotzdem so viel Wirkung erzielen?
Ambri bleibt Ambri und trägt sich selbst. Der Mythos überlebt die Männer. Romantiker sagen, die Mannschaft spiele weiter, als höre sie immer noch die Stimme von Cereda. Nur mit einem Hauch mehr Leichtigkeit, vielleicht sogar Trotz. Und auch mit ein wenig mehr Glück. Die Helden wechseln. Der Stil bleibt. Der Klub ist der Fels, die Trainer sind das Wasser. Manche rauschen vorbei, manche graben sich ein – aber der Fels rührt sich nicht.
Zur Romantik gehört auch: Es gibt einen heimlichen Sieger. Filippo Lombardi, der grosse Vorsitzende. Im Amt seit 2009. Als Politiker einst von nationaler Bedeutung (von 1999 bis 2019 im Ständerat und ein Jahr lang sogar Präsident des Gremiums). Die Tessiner Antwort auf Niccolo Machiavelli. Vielleicht heisst es in 100 Jahren nicht mehr, einer sei ein Machiavellist – sondern ein Lombardist oder Lombardeur. Schlau hat er sein Amt nach dem Auffliegen des Hochverrates zur Verfügung gestellt. Aber eben: nur zur Verfügung gestellt. Und nun zeichnet sich ab: Wieder einmal könnte seine Rechnung aufgehen. Ambri ist sogar besser geworden. Hatte er am Ende mit seiner Idee, den Sportchef und Trainer abzusetzen, doch recht? Der Opposition gehen die Argumente aus.
Wenden wir uns wieder dem Sport zu. Ein Drama ist noch ausstehend. Bleibt Dominic Zwerger, seit 2017 in der Leventina? Sein Vertrag läuft aus. Nach 25 Partien hat er bereits gleich viele Punkte (14) wie nach der ganzen letzten Saison aus 50 Spielen. Mit 10 Toren ist er aktuell der zweitbeste Spieler der Liga mit Schweizer Lizenz. Soeben hat er in Davos beim 6:4 den Siegestreffer (das 5:4) zelebriert. Einen höheren Marktwert wird er nie mehr haben.
Neben Zugs Fabrice Herzog (30, vom Alter und Preis her eigentlich der perfekte Lugano-Transfer) und Zugs Mike Künzle (31, wenn Zug nicht verlängert, bereit für einen Romantik-Transfer nach Kloten) ist Zwerger die dritte und letzte Offensiv-Rolex in der Transfer-Edelboutique. Er ist jetzt 29 und steht vor der wichtigsten Entscheidung seiner Karriere: Bleiben oder um einen höheren Vertrag bei der Konkurrenz pokern? Das Problem: Der freundliche, fast scheue Österreicher mit Schweizer Lizenz gilt als sensibler Schillerfalter. Die Zweifel, ob er auch bei einem Titanen der Liga die Flügel entfalten könnte, sind berechtigt. Vielleicht noch am ehesten in der familiären Atmosphäre beim EHC Biel. Sportchef Martin Steinegger bestätigt, dass er interessiert sei. Aber noch keine Antwort bekommen habe.
Dominic Zwerger nicht mehr im Ambri-Dress? Das wäre fast Hochverrat am Mythos Ambri und könnte die Hockey-Götter erzürnen.
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